Die Entscheidung moderne Gelenktriebwagen im Grazer Straßenbahnnetz
einzusetzen fiel mit der Bestellung der Wagen der
Reihe 260 im Jahre
1961. Das Straßenbahnnetz, war mit Ausnahme der heute noch bestehenden
eingleisigen Abschnitte Hilmteich - Mariatrost und Zentralfriedhof -
Brauhaus Puntigam weitestgehend (Strecke nach St. Peter) zweigleisig
ausgebaut.
Im Zeitraum 1951 bis 1971 schrumpfte das Netz um über 25 Prozent. Das
Netz musste neben den Plänen einer "autofreundlichen Stadt" den
Einrichtungsgelenktriebwagen angepasst werden. D. h. Streckenäste, die
über keine Gleisschleife verfügten, wurden stillgelegt oder gekürzt. Das
betraf:
1962:
Linie
2 in der Keplerstraße (Gleisverbindung zum Hauptbahnhof seit 1954
unterbrochen)
1969: Linie 6 in der oberen Petersgasse und St.-Peter-Hauptstraße
1971: der Rest vom
2er in der Glacisstraße und Bergmanngasse
Diese Stilllegungen wurden vorderhand auf Wunsch der Stadt Graz
vorgenommen und waren ihrer Zeit insofern voraus, da Holzkastenwagen für
einen Zweirichtungsbetrieb
in Graz im Normalverkehr bis 1989 (!) verkehrten. U. a. gingen durch die
Stilllegung des "2ers", aber auch durch Teilstrecken des
"3ers"
(1957) wichtige
Ausweichstrecken verloren. Einrichtungsgelenktriebwagen brauchen für
einen flexiblen Betrieb nun mal parallel verlaufende Ausweichstrecken
und/oder Gleisschleifen.
Bis zum Umbau des Jakominiplatzes in den
Jahren 1995/96 verfügte die Straßenbahn über keine innerstädtischen
Wendeschleifen (mit Ausnahme der Remise I in der Steyrergasse im Bezirk
Jakomini), die ein Umsetzen auf alle Streckenäste ermöglicht hätte, da auf
dem alten Jakominiplatz schlicht und einfach die dafür notwendigen
Gleisbögen fehlten. Als Zufahrt zur Remise I durch die Jakoministraße gab es für die Linien 3 und
6 vom Dietrichsteinplatz kommend einen "Wendehammer",
bestehend aus Gleisen der 1971
stillgelegten Strecke über den
Griesplatz.
Weitere Neubaustrecken, Wendeschleifen bzw.
einzubauende Gleisbögen, die einen Betrieb aller Streckenäste bei
Innenstadtveranstaltungen mit Einrichtungsgelenktriebwagen ermöglichen
würden, liegen derzeit ad acta. Dazu zählen:
Gleisbogen zwischen Murgasse und Sackstraße (ein Betrieb des Streckenastes nach Andritz über Annenstraße/Hauptbahnhof;
mittels Kletterweiche und Einrichtungsgelenktriebwagen erfolgte erfolgte zwischen 09.07. und 21.08.2005
erstmalig in der Geschichte aufgrund von
Gleisbauarbeiten in der Herrengasse )
Wendeschleife um das Umspannwerk
Keplerbrücke
(Betrieb der Strecke Keplerbrücke - Andritz)
Bau der
Entlastungsstrecke (Jakominiplatz -
Roseggerhaus über Griesplatz) und der Strecke Roseggerhaus - Lendplatz -
Keplerbrücke (soll beim Bau der
Strecke nach Gösting
miterrichtet werden).
Seit Mitte 2009 liegt die Konzentration beim
Ausbau des Straßenbahnnetzes, neben der Tieferlegung der Straßenbahn
beim Hauptbahnhof (Eröffnung: Ende 2012), einzig und allein auf der Realisierung der
1. Etappe einer Strecke nach
Webling
inklusive
"Entlastungsstrecke". Weitere Ausbauten wie die Strecken nach
Gösting und über die
Karl-Franzens-Universität liegen aus Kostengründen/Geldmangel derzeit auf Eis.

Dabei könnte ohne den Bau der oben genannten
Projekte mit dem Einbau von Gleiswechsel bzw. temporärer Kletterweichen
das komplette Straßenbahnnetz mit Ausnahme des Streckenstückes
Jakominiplatz - Hauptplatz befahren werden.
Aber auch bei Gleissanierungen
könnte so
mancher Streckenast ohne (Inselbetrieb) bzw. mit einem im Vergleich zu bisher stark gekürzten Schienenersatzverkehr
(SEV)
auskommen. Fahrgästen bliebe so manches Mal ein stark überfüllter
SEV und/oder das im Stau stehen der Busse auf den
Ausweichstrecken erspart.
Nur, dazu würden
Zweirichtungsgelenktriebwagen benötigt werden. Mit der Anschaffung von
45(!) Garnituren der
Variobahn bis 2015 soll der gesamte Wagenpark nur
mehr aus Niederflurwagen bestehen, jedoch nur aus
Einrichtungsgelenktriebwagen.
Ihre Länge von 27m sorgt für Diskussionen, da ohne
Entlastungsstrecke und die Herausnahme von Linien in der Herrengasse
keine Intervallverdichtung der verbleibenden Linien möglich ist. Um dennoch
eine Kapazitätserhöhung zu erreichen, sollen dreißig der Wagen mit 37m
Länge ausgeliefert werden. Neben zusätzlichen 20 Mio. Euro Kosten, 100
Mio. Euro beträgt der Preis für die 45 Garnituren in der 27m-Version,
musste auch die Remise I um ca. 20 Mio. Euro erweitert werden (März 2012
eröffnet).
Zudem sind einige Haltestellen im Netz überhaupt nicht für solch lange
Garnituren konzipiert. Die Wagen würden beim Einfahren in die
Haltestelle bis in die dahinter befindliche Kreuzung ragen. Zu diesen
Haltestellen zählen u. a. Dietrichsteinplatz oder Jakominiplatz (bei zwei
Wagen hintereinander).
Aber auch bei der Existenz der
Entlastungsstrecke wären die Haltestellen
"Südtiroler Platz", "Hauptplatz", sowie überhaupt der Streckenast nach Andritz
weiterhin ohne
Straßenbahnverkehr - also weiterhin SEV zwingend
notwendig. Mit Gleiswechsel und Zweirichtungsgelenktriebwagen wäre das kein Problem. So könnte mittels
Gleiswechsel am Hauptplatz eine Linie zwischen Hauptbahnhof
(Laudongasse) - Hauptplatz
- Andritz eingerichtet werden bzw. die Linien 1 und 7 vom Westen her
nach Andritz verlängert werden..

Die folgenden Beispiele sollen zeigen, dass
sich aus dem System Gleiswechsel/Zweirichtungswagen Kostenreduktionen
aufgrund des entfallenden bzw. stark gekürzten SEV ergeben. Ein starkes Argument für eine
finanziell angeschlagene Stadt wie Graz (1,15 Mrd. Euro Schulden; Stand:
2011).
Außerdem wird bei Gleisbauarbeiten durch die Aufrechterhaltung des
Straßenbahnverkehrs in Form eines Inselbetriebs in den betroffenen Einkaufsstraßen der Handel nur soweit
wie
nötig (z. B. Entfall von Parkplätzen, Lärmbelästigung) in
Mitleidenschaft gezogen.

Die neue Nahverkehrsdrehscheibe
Hauptbahnhof:
Ende 2012 wird die Straßenbahn im Bahnhofbereich
unterirdisch verkehren, damit auch die Straßenbahnlinien 1 und 7 den
Bahnhof nicht nur abends und sonntags anfahren können. Für die
entfallene Gleisschleife wurde westlich des Hauptbahnhofs eine kurze
Neubaustrecke für die Straßenbahnlinien 3 und 6 errichtet (Endstation
Laudongasse).
Dadurch können seit Jänner 2011 bei
Innenstadtveranstaltungen o. ä. Straßenbahngarnituren aus Wetzelsdorf
bzw. Eggenberg kommend den Bahnhof nicht mehr erreichen (!), wodurch bis
zur Endstation Laudongasse der bisher in diesen Fällen
eingesetzte SEV (Jakominiplatz - Hauptbahnhof) sogar ausgedehnt werden
musste! Der Bau der Entlastungsstrecke ist somit dringender denn je.
Mittels Zweirichtungswagen/Gleiswechsel
könnte nicht nur der Hauptbahnhof angefahren werden, es könnte bis nach Andritz durchgefahren werden.

Gleisbauarbeiten (Zusammenfassung der
unten genannten Beispiele):
Die Linie 1 konnte in den Monaten
Juli/August (Sommerferien) der Jahre 2004, 2006 und 2009 aufgrund von
Gleisbauarbeiten in der Leonhardstraße ab Jakominiplatz nicht nach
Mariatrost verkehren, die Linie 7 nicht nach St. Leonhard.
Gleisbauarbeiten 2004:
Bauarbeiten in der Maiffredygasse ab Alberstraße - Leonhardstraße bis
Beethovenstraße und bei der Endstation in St. Leonhard.
Da keine Gleisbauarbeiten entlang der eigenen Trasse ab
Mariagrün Richtung Mariatrost stattfanden, konnte ein Inselbetrieb als
Linie 21 zwischen Hilmteich und Mariatrost mit
Einrichtungsgelenktriebwagen (!) aufrecht erhalten werden. Dazu mussten
die Wagen die Schleife beim Hilmteich in die falsche Richtung befahren.
In diesem Fall wurde ein Schienenersatzverkehr (SEV) zwischen Jakominiplatz -
Hilmteich bzw. St. Leonhard über die stauträchtige Elisabethstraße
eingerichtet.
Mit Zweirichtungswagen und einer Kletterweiche bei der
Beethovenstraße bzw. in St. Leonhard hätte der Straßenbahnbetrieb als
Inselbetrieb zwischen Leonhardstraße - St. Leonhard und Leonhardstraße -
Mariatrost aufrecht erhalten werden können. Die Linien 1 und/oder 7
hätten regulär bis zur Haltestelle Maiffredygasse geführt werden können,
wodurch der Kaiser-Josef-Platz vom Westen der Stadt umsteigefrei
erreichbar geblieben wäre.
Nachteil:
Für die Fahrgäste nach St. Leonhard
wäre dadurch ein zusätzlicher Umsteigevorgang notwendig geworden, da der
SEV bis zum Jakominiplatz verkehrte.
Gleisbauarbeiten 2006:
Gleisbauarbeiten in der oberen Leonhardstraße ab Beethovenstraße bis Merangasse
und auf der eigenen Trasse nach Mariatrost (Brückenneubau).
Mit einer ausgeklügelteren Baustellenkoordination hätten die
Streckenäste nach Mariatrost und St. Leonhard mittels eines
einzurichtenden Inselbetriebes den Sommer hindurch befahren werden
können.
Ein generelles Problem in Graz sind unkoordinierte Straßenbauarbeiten.
So kommt es vor, dass in der gleichen Baustellensaison ein Straßenstück
mehrmals aufgerissen wird. Bei Gleisbauarbeiten hat sich seit Mitte der
90er die Sitte
eingebürgert, dass ein Streckenast die gesamten Sommerferien hindurch
nicht befahrbar ist, unabhängig von der Größe der Baustelle.
Allein auf
der eigenen Trasse der Linie 1 nach Mariatrost ab Mariagrün fanden in
den Sommerferien der Jahre 1996, 1997, 1998, 2003, 2006 und 2009
Gleisbauarbeiten statt. 2006 und 2009 wurde jeweils zwischen den
Haltestellen St. Johann und Rettenbach eine kleine Brücke über den
Mariatrosterbach durch einen Neubau ersetzt.
Hätte man diese Bauarbeiten nicht in einer
Baustellensaison erledigen und von vornherein mit umfangreicheren
Gleisbauarbeiten kombinieren können? Die GVB sind generell engagiert
neue Fahrgäste zu gewinnen - allein schon durch die beschränkten
finanziellen Mittel ist ihr Handlungsspielraum eingeschränkt. Durch
häufigen teilweise monatelangen SEV, der zudem häufig
im Stau steht und Nerven kostet, kann der durchschnittliche Grazer
Autofahrer kaum bewogen werden sein Auto stehen zu lassen.
Gleisbauarbeiten 2009:
Gleisbauarbeiten in der oberen Leonhardstraße ab Merangasse - Leonhardplatz
und ein Brückenneubau auf der eigenen Trasse der Linie 1 nach Mariatrost
Als Folge verkehrte zwischen Jakominiplatz und St.
Leonhard/LKH bzw. Mariatrost keine Straßenbahn.
Der Schienenersatzverkehr SE1 für die
Linie 1 und die verlängerte Buslinie 77 für die Linie 7 wurde daher über die Elisabethstraße
zum Jakominiplatz geführt. Entlang des
Streckenstückes in der Elisabethstraße, das nur von der Linie 77
befahren wurde, und in der Riesstraße wurden ebenfalls Straßenbauarbeiten
durchführt. Dadurch waren in der HVZ extrem lange Staus/Verspätungen von einer halben Stunde
oder mehr die
Folge, die sich folglich auch auf die reguläre Strecke der Buslinie 77
auswirkten. Aber auch der SEV für die Linie 1, der stets durch die
Mariatroster Straße geführt wird, ist dort staugefährdet.
Für die Linie 1 stellt sich hier die gleiche
Frage wie für das Jahr 2006 (s. oben).

Schienenersatzverkehr in der Innenstadt:
Der Haltestelle der Buslinien 30, 31, 39 am Jakominiplatz wird in
solchen Fällen von allen Straßenbahnlinien mitbenützt. Daraus resultiert
ein Rückstau von Garnituren auf den Zufahrtsstrecken (Jakoministraße,
Gleisdorfer Gasse, Reitschulgasse). Mittels Gleiswechsel könnten die
Garnituren vor der betreffenden Haltestelle am Anfang der genannten
Straßenzüge wenden, wodurch die Überlastung des Haltestellenbereiches
der Vergangenheit angehören würde. Hierzu müssten Sonderhaltestellen
eingerichtet werden.

Sonderlinien:
Flexiblere Linienführungen wären möglich, da auf einzelnen Streckenästen
z. B. Hauptverkehrszeitlinien wieder eingerichtet werden können, die ohne
kostspielige Gleisschleifen realisierbar sind.
So wurde vor Jahren der Bau einer Gleisschleife bei der Maut Andritz
diskutiert, um einen Schülersonderverkehr durchführen zu können.
Auch bei Stadthallen-/Messeveranstaltungen müsste nur bis zur
Stadthalle/Fröhlichgasse und nicht bis zum Stadion Liebenau gefahren
werden.
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