ÖPNV
                   Öffentlicher
                   PersonenNahVerkehr
 
 

Geschichte der Grazer Straßenbahnlinie 2
(auch "Ringlinie" oder Zweierlinie genannt)

   
   


Warum gibt es keine Straßenbahnline 2?
 
Vielen (jüngeren) Grazern ist oft nicht bewusst, wieso es nur die Tageslinien 1, 3, 4, 5, 6 und 7 und keine Linie 2 gibt. Ältere Grazer kommen, wenn man sie nach der Straßenbahnlinie 2 fragt, oft ins schwärmen und erzählen einem dann etwas über diese Linie.

Mit dem Bau der Strecke Hauptbahnhof - Jakominiplatz - Glacisstraße - Geidorfplatz in den Jahren 1878/79 beginnt die Geschichte der Linie 2 und des schienengebundenen Personennahverkehrs in Graz (s. Chronik). Genau genommen kann man erst ab 1911 von einer Linie 2 sprechen, da in diesem Jahr die Nummernsignale eingeführt wurden.
Nach zwei Verlängerungen bis zum Jahr 1899 erreichte man über die Keplerstraße wieder den Südbahnhof (Hauptbahnhof). Legendär ist diese Linie dadurch, da sie neben der Linie 24 (nur in der HVZ) die einzige elektrifizierte Ringlinie war, die es in Graz bisher gegeben hat. Zudem war sie über Jahrzehnte hinweg die "typische" Stadtlinie, während die anderen Linien außerhalb des Stadtzentrums bis an die Peripherie durch ländliche Gegenden verkehrten.
 
 


 
 

Letzte Fahrt eines Wagens der Linie 2 über die alte Keplerbrücke - der regulär letzte Zug verkehrte die Nacht davor.Streckenverlauf der Straßenbahnlinie 2

 
Hauptbahnhof - Annenstraße - Südtiroler Platz - Hauptbrücke - Murgasse - Hauptplatz - Herrengasse - Jakominiplatz - Gleisdorfer Gasse - Glacisstraße - Kaiser-Josef-Platz - Glacisstraße - Geidorfplatz - Bergmanngasse - Humboldtstraße - Wickenburggasse - Keplerbrücke - Keplerstraße - Lendplatz - Keplerstraße - Hauptbahnhof (in beide Richtungen)
Streckenlänge: 6km

Der "2er" wurde am 16. Jänner 1971 stillgelegt, oder besser gesagt, dass was von ihm übrig geblieben war. Das folglich nur von der Linie 2 befahrende 3 km lange Streckenstück Hauptbahnhof - Keplerstraße - Glacisstraße bis Rechbauerstraße wurde wie die Linie innerhalb von 8 1/2 Jahren vollständig stillgelegt. (historischer Streckenverlauf)

Der Name "Ringlinie" ist etwas irreführend, wurde der 2er doch nie als eine "richtige" Ringlinie betrieben, da die Straßenbahnzüge aus der Keplerstraße bzw. Annenstraße immer am Hauptbahnhof wendeten und wieder in die Kepler- bzw. Annenstraße zurückfuhren.
 
 


 
 

Auch Graz hatte seine "Zweierlinie"

 
Die Bezeichnung "Zweierlinie" ist ist bis heute in Wien ein geläufiger Begriff für einen parallel zum Ring verlaufenden Straßenzug, der - genau genommen - aber seit 1980 nichts mehr mit der Wiener Straßenbahn zu tun hat (s. Geschichte der Zweierlinien).

In Graz wurde in den Medien, wenn über die Linie 2 berichtet wurde, häufig auch der Begriff "Zweierlinie" verwendet, insbesondere nachdem die Ringlinie Stück für Stück langsam stillgelegt wurde - dazu aber später.
 
 


 
 

Gründe für die Stilllegung

 
Auslöser für die Stilllegung war Ende der 50er der aufkeimende "Autowahn" der dazu geführt hatte, dass mit Beschluss des Gemeinderates die Stadt Graz am 28.07.1958 einen Generalverkehrsplan anfertigen ließ, der 1961 fertig gestellt wurde.
In dem Verkehrsplan stand: Da der Entwurf des künftigen Hauptverkehrsstraßennetzes mit dem Vorhandensein eines schienenfreien inneren Straßenringes steht und fällt, muss aus den Straßenzügen Keplerstraße - Lendplatz - Keplerstraße - Wickenburggasse - Humboldtstraße - Bergmanngasse - Geidorfplatz - Glacisstraße bis Rechbauerstraße der schienengebundene Verkehr entfernt werden.
glacisstrasse-3.jpg (121339 Byte)
Gleichzeitig wurde aber festgestellt, dass die Straßenbahn gegenüber O-Bus und Autobus bezüglich Kapazität und in Anspruch genommener Straßenfläche weit überlegen ist. Trotz dieser Feststellung wurde der 2er in vier Etappen stillgelegt.

ringlinie-historisch.gif (59473 Byte)Entwertet wurde der 2er durch die Streckenführung durch die untere Glacisstraße, da die Straßenbahn dadurch an den Wohngebieten entlang des 2. Bezirkes und an der Universität vorbeifuhr, anstatt sie zu durchfahren.
Aus architektonischer Sicht jedoch zählte die Straßenbahnstrecke entlang des Stadtparks und den Häusern in der Glacisstraße aus der Gründerzeit zu den schönsten, die Graz zu bieten hat.

Weiters stellte die alte Keplerbrücke (Bogenbrücke, s. Bild oben) ein Problem dar, da sie nicht sehr belastbar war, was dazu führte, dass die Ringlinie nur mit "leichtem Wagenmaterial" ausgestattet werden konnte.
 

 
Stilllegungsdaten
1954

Auch nach 1954 verkehrte die Linie 2 noch mit der Bezeichnung "Ringlinie", obwohl die Zufahrt von der Keplerstraße zur Schleife Hauptbahnhof 1954 herausgerissen und so ein Ringverkehr unmöglich wurde (1956 erfolgte die bis heute gültige Trassenführung vor dem Hauptbahnhof).

Ab 1954 wurden keine Beiwagen mehr auf der Linie 2 eingesetzt, sondern es verkehrten nur mehr Triebwagen.

1962

Keplerstraße - Lendplatz - Keplerstraße - Keplerbrücke.Keplerstraße - Lendplatz - Keplerstraße - Keplerbrücke.
Grund: Neubau der Keplerbrücke (s. Bild oben)

Die tagsüber verlängerte Buslinie G (Hauptbahnhof - Gösting) übernahm den Verkehr auf dem stillgelegten Streckenstück. Abends verkehrte stattdessen die neu geschaffene Buslinie H (Hauptbahnhof - Keplerbrücke) auf dem Abschnitt.
Beide Linien wendeten ab Lendplatz über die Neubaugasse, um in die Keplerstraße zu gelangen. Die Haltestelle "Keplerbrücke" wurde hierfür eigens unmittelbar neben der dortigen Realschule eingerichtet.

1963

Wickenburggasse - Humboldtstraße:Wickenburggasse - Humboldtstraße:
Beide Streckenstücke wurden durch die Buslinie H (heutige Buslinie 58) ersetzt.

1971

Stilllegung des restlichen 2ers. Die Strecke Glacisstraße ab Rechbauerstraße - Bergmanngasse wurde durch die Buslinie B (31) ersetzt. Dieses Streckenstück ist großteils unter einer Asphaltdecke noch vorhanden. (s.Stilllegung des restlichen 2ers. Die Strecke Glacisstraße ab Rechbauerstraße - Bergmanngasse wurde durch die Buslinie B (31) ersetzt. Dieses Streckenstück ist großteils unter einer Asphaltdecke noch vorhanden. (s. Abgetragene Strecken).

Die Linie 2 wurde auf dem Streckenstück Hauptbahnhof - Jakominiplatz durch die Linie 6 ersetzt. Zwischen Jakominiplatz und Glacisstraße bis Rechbauerstraße verkehren somit nur mehr die Straßenbahnlinien 1 und 7.


Bis heute ist die Strecke der früheren Ringlinie in drei Streckenstücke geteilt:

· Hauptbahnhof - Jakominiplatz (- Glacisstraße bis Rechbauerstraße): Straßenbahnlinie 6 (bzw. 1, 7)
· Jakominiplatz - Glacisstraße - Geidorfplatz - Wormgasse: heutige Buslinie 31
· Hauptbahnhof - Wormgasse - Geidorfplatz: heutige Buslinien 58 und 63


 

 
 

Eine Wiederinbetriebnahme? (1. Chance nach der Stilllegung)

 
Mitte der Achtziger des 20. Jahrhunderts präsentierte sich das Straßenbahnnetz stark in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Das Netz wurde von Einrichtungswagen dominiert, es gab jedoch keine zentralen Wendemöglichkeiten wie heute am Jakominiplatz. Wichtige Umleitungsstrecken wurden im vorigen Jahrzehnt stillgelegt. Die heutige Feinstaubproblematik war damals das Smog-Problem.

 

Meine (einprägsamsten) Erinnerungen an den öffentlichen Verkehr in den Achtzigern in Graz:

Blitzschlag, der einen Stau von Straßenbahngarnituren von der Herrengasse bis zur Annenstraße verursachte.

 

der letzte Holz-Zweiachser in der HVZ am Morgen, mit dem ich immer zwischen Eggenberger Gürtel und Jakominiplatz zur Volkschule gefahren bin.

 

die eingefrorene Weiche auf dem alten Jakominiplatz, die den Straßenbahnverkehr zwischen Hauptbahnhof bzw. Andritz und Jakominiplatz lahm legte und

 

der "Jahrhundertwinter 1986" als innerhalb weniger Stunden 1m Neuschnee fiel, der den Verkehr in der Stadt völlig zusammenbrechen ließ.

 

Das einzige Verkehrsmittel in dieser Zeit, dass trotz großer Hürden verkehren konnte, war die Straßenbahn. Die Tage danach zeigten, dass nur die Straßenbahn und nicht etwa der Autobus oder der Individualverkehr solche Ausnahmesituationen überhaupt meistern kann.

Erst nach diesem Ereignis fand ein Umdenken bei den verantwortlichen Köpfen ein. Dem schienengebundenen öffentlichen Verkehr in Graz wurde nun wieder mehr Beachtung geschenkt.

 

Man dachte darüber nach, das Streckenstück Glacisstraße ab Rechbauerstraße - Keplerbrücke der Linie 2 wieder in Betrieb zu nehmen (Umleitungsmöglichkeit für die Linien 4 und 5).
Doch waren die Autofahrerlobbys zu stark, so dass 1987 stattdessen die Buslinie 63 (Hauptbahnhof - Keplerstraße - Keplerbrücke - Geidorfplatz - Eisteichsiedlung, seit 2006 Petersbergenstraße) eröffnet wurde.

 

Ein mehr als schlechter Ersatz, da die Linie seit ihrer Inbetriebnahme durch Staus in der Meran- und Plüddemanngasse extrem verspätungsanfällig ist.

 

Eine Wiederinbetriebnahme? (2. Chance)

(Fortsetzung folgt)

 
      Seite aktualisiert am Sonntag, 15. Februar 2015      
    E-Mail - Impressum - Links - Mailinglist/Wiki - You Tube-Kanal - Abkürzungen